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Pressearchiv 2022

Ergreifende Gedenkveranstaltung am Volkstrauertag

Erstellt von Kathrin Kellermann | |   News

Selten hat es wohl eine so bewegende und ergreifende Gedenkfeier zum Volkstrauertag am Mahnmal im Hüpptal gegeben wie in diesem Jahr. In emotional aufwühlenden Beiträgen wurde an die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaften gedacht.

Im vergangenen Jahr hätten sich alle zum Gedenken getroffen und gebetet: „Nie wieder. Nie wieder ein Krieg auf europäischem Boden.“ Daran erinnerte Pfarrerin Sabrina Frackenpohl-Koberski am heutigen Volkstrauertag am Mahnmal im Hüpptal. „Und heute ist aus dem ‚nie wieder‘ ein ‚wieder‘ geworden.“

Seit dem 24. Februar 2022 ist alles anders. Seit Russland „kaltherzig und mordend in die Ukraine eingezogen ist.“ Heute würden wir neu anfangen mit ‚nie wieder‘. „Aber dabei stehen wir auf, breiten unsere Arme weit aus, bieten Schutz und eine neue Heimat. Wir gedenken heute der Verstorbenen der beiden Weltkriege und all derer, die heute um ihr Leben beten, Schutz und Frieden suchen und ihn in unserer Stadt finden.“

Als Zeitzeuge des zweiten Weltkriegs erinnerte sich Friedel Burghoff an die Schrecken dieser Zeit: „Beim Kriegsbeginn am 1. September 1939 standen drei besorgte Männer zusammen: Walter Scheidler, Erich Burghoff und mein Vater. Ihr Fazit war: ‚Das wird ein fürchterliches Ende nehmen‘.“ Und so kam es auch. Deshalb habe er ein sehr beklemmendes Gefühl im Bauch gehabt, als Putin die Ukraine überfiel, appellierte deshalb heute: „Ich kann nur alle anhalten, alles daran zu setzen, die Demokratie aufrechtzuerhalten… und sei es noch so schwer.“

„Wir waren gezwungen zu fliehen, um unsere Kinder zu retten, die das wertvollste auf dieser Welt sind“, sagte Lylia Ferens-Derepa, die im März mit ihren Kinden nach Deutschland flüchtete. Mit Blick auf den Volkstrauertag, an dem der Opfer der beiden Weltkriege gedacht wird, betonte die Ärztin: „Heute schreiben wir eine neue Geschichte, aber die Vergangenheit darf nicht vergessen werden. Einige Kriege ersetzen andere, ein Tyrann einen anderen.“

An die Vergangenheit zu denken und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen war auch Viktor Dmytruk wichtig. Er war einer der 34 Geflüchteten, die früh morgens am 11. März mit dem Bus am Gemeindezentrum Hilgen-Neuenhaus ankamen und von der Initiative „Wir in Wermelskirchen“ in Empfang genommen wurden. Viktor, der seitdem auch schon einmal im Gemeindezentrum gepredigt hat, hielt seine ergreifende Rede in seiner Muttersprache - Maryna Sachser übersetzte. Er endete mit den Worten: „Es ist Ihre unveränderliche Geschichte, die ich heute mit Ihnen teile, mein Herz ist bei Ihnen.“ (Die komplette Rede finden Sie weiter unten).

Bewegend am heutigen Volkstrauertag auch die Beiträge von Ben Platte und Jamie Hübner. Die beiden Schüler des Gymnasiums hatten sich im Rahmen der Projektwoche intensiv mit dem zweiten Weltkrieg beschäftigt. Tief eingetaucht in die Geschichte von Else und Oscar Lambeck aus Wermelskirchen, die zunächst Zwangsarbeiter sonntags mit Essen versorgten und später auch Juden auch Unterschlupf und ein Versteck gewährten, war Ben Platte. „Mich hat sehr beeindruckt, dass sie nicht über die Konsequenzen nachgedacht haben. Sondern so gehandelt haben, weil die Menschen Christen waren und ihnen Werte wie Nächstenliebe wichtig waren“, sagte er.

Mit den Euthanasie-Opfern des NS-Regimes hatte sich Jamie Hübner mit seiner Projektgruppe beschäftigt, Akten gewälzt und Biographien geschrieben. „Es macht den Eindruck, dass diese Randgruppe manchmal vergessen wird. Deshalb wollen wir das aufarbeiten und auch Stolpersteine beantragen.“ Er zitierte aus einem Zeitungsbericht der Londoner Times, in dem geschildert wird, wie drei Blinde in einem Krankenhaus von den Nazi-Ärzten durch eine Giftspritze ermordet wurden. Die Todeskämpfe dauerten zwischen zehn und zwölf Minuten. „Blinde sterben ruhiger als Verrückte“, hatte der Arzt gefühllos kommentiert. „Es war ein rücksichts- und gewissenloses Morden“, zeigte Jamie Hübner auf. „Wenn Menschen nicht brauchbar waren, endete ihr Leben.“

Sichtlich bewegt verabschiedete anschließend Bürgermeisterin Marion Lück die Anwesenden der Gedenkfeier zum Volkstrauertag. „Manch einer hat sich vielleicht schon mal gefragt, ob ein Volkstrauertag noch aktuell ist. Und nachdem, was wir heute gehört haben, kann die Antwort nur sein: Ja! Unbedingt!“ 

Sie zitierte die deutsch-jüdische Philosophin Hannah Arendt: „Die traurige Wahrheit ist, dass das meiste Böse von Menschen gemacht wird, die sich zwischen Böse und Gute nicht entschieden haben.“ Und appellierte daran, sich immer wieder für das Gute zu entscheiden. „Lassen Sie uns alle das Richtige tun und lassen sie uns für Frieden und Demokratie einstehen.“


Die Rede von Viktor Dmytruk im Wortlaut.

Heute ist der Tag, an dem wir innehalten und uns an unsere Vergangenheit erinnern sollten.
Sich an das Gute und das Schlechte erinnern, sich daran erinnern, was unsere Eltern uns erzählt haben und was wir jetzt hören...

Erinnern Sie sich an die Ereignisse der letzten hundert Jahre und erinnern Sie sich an die Menschen, die bei den blutigsten Ereignissen des Jahrhunderts leider ihr Leben verloren haben.

Kriege, Gewaltherrschaft sind eine Tragödie nicht nur des deutschen Volkes, die ganze Welt, jeder Mensch hat diese Geschichte geschrieben...
Ich denke, es ist an der Zeit, in die Augen des Schmerzes zu schauen und zu verstehen, wie sehr jeder von uns falsch liegen kann und wie schrecklich der Preis unserer Fehler sein kann.

Jede deutsche Familie hat ihre eigene tragische Geschichte und den Verlust eines geliebten Menschen. Aber jetzt ist der Moment, in dem wir Schlussfolgerungen ziehen müssen. Schlussfolgerungen, die künftigen Generationen eine Welt ohne die schrecklichen Folgen des Krieges ermöglichen. Damit kein verlorenes Leben zu einem nutzlosen Opfer wird.

Ich hätte nie gedacht, dass der Krieg mich, mein Zuhause, betreffen würde. Dass meine Mitbürger getötet werden, dass Blut nicht so weit vom Herzen Europas vergossen wird. Das ist Schmerz, das sind Tränen, das sind Verluste, die wir niemals wiedererlangen können.

Heute appelliere ich an jeden von Ihnen: Scheuen Sie sich nicht vor dem Weg, den Ihr Volk eingeschlagen hat.

Es ist Ihre unveränderliche Geschichte, die ich heute mit Ihnen teile, mein Herz ist bei Ihnen.

 

Marion Lück Volkstrauertag
Bürgermeisterin Marion Lück bei der Gedenkfeier zum Volkstrauertag im Hüpptal heute. Fotos: Stadt Wermelskirchen / Kellermann
Lylia Ferens-Derepa und Viktor Dmytruk
Lylia Ferens-Derepa und Viktor Dmytruk flüchteten beide im März aus der Ukraine und hielten bewegende Reden.
Jamie Hübner (links) und Ben Platte
Jamie Hübner (links) und Ben Platte beschäftigten sich während der Projektwoche am Gymnasium mit dem zweiten Weltkrieg. Ihre Schilderungen von dem, was sie herausgefunden und gelernt haben, waren erschütternd und bewegend.
Marion Lück, Stefan Leßenich und Norbert Galonska
Bürgermeisterin Marion Lück und ihre Stellvertreter Stefan Leßenich (rechts) und Norbert Galonska gedachten am Volkstrauertag der Opfer von Kriegen und Gewalt.
Pfarrerin Sabrina Frackenpohl-Koberski
Pfarrerin Sabrina Frackenpohl-Koberski sagte: "Heute ist aus dem ‚nie wieder Krieg‘ ein ‚wieder geworden."
Friedel Burghoff
Zeitzeuge Friedel Burghoff erinnerte an die Schrecken des zweiten Weltkriegs.
Posaunenchor
Der Posaunenchor sorgte für die musikalische Untermalung des Volkstrauertages.